VERS 145 - 163                             ZURÜCK TITEL INHALT  VOR  PDF                                 PUYA UND PÂPA – TUGEND UND LASTER   KAPITEL 4     Samayasâra

 

Der einzelne Handelnde Karma betritt die Bühne, das Gewand von zwei verschiedenen Charakteren, Puya und Pâpa, Tugend und Laster umhängend.

 

145.                       Wisset ihr, dass das zu falschem Verhalten führende karma schlecht ist und dass zu richtigem Verhalten führende gut ist. Wie kann dies richtiges Verhalten sein, welches jîva in sasâra (Geburten- und Todeszyklus) stösst.

 

KOMMENTAR

 

Die Unterscheidung von karma in gut und böse ist auf praktische Moralität begründet. Was gut ist kann jemanden zu den Vergnügungen von svarga führen und was böse ist, kann jemanden zu den Miseren der Hölle führen. Selbst das Leben einer deva in svarga ist nur ein Leben in sasâra. Svarga oder naraka ist lediglich ein Zweig von sasâra, dem Zyklus von Geburten und Toden. Das schlussendlich aufgerichtete Ideal überschreitet beides, Gut und Böse und ist jenseits sasâra. Infolgedessen was auch immer zu sasâra führt ist aus diesem schlussendlichen Gesichtspunkt unbegehrlich. Infolgedessen die Frage, „Wie kann dies richtiges Verhalten sein, welches jîva in sasâra stösst?“

Als nächstes wird der gleiche Punkt durch ein Beispiel beleuchtet.

 

146.                       Eine Fessel aus Gold gemacht ist so gut wie eine aus Eisen gemacht für den Zweck, einen Mensch anzuketten. Gleicherweise karma, weder gut oder schlecht gleichermassen die jîva bindet.

 

KOMMENTAR

 

Die Unterscheidung zwischen gutem karma und schlechtem karma ist bedeutungslos, da die Wirkung in beiden identischerweise dieselbe ist.

 

147.                       Habe deshalb nicht Anhaftung für oder gedankliche Verbindung mit unbegehrlichen karmas, weder gut noch böse; durch solche Anbindung für oder gedankliche Verbindung mit unbegehrlichen karmas wird die Zerstörung unvermeidbar werden.

 

KOMMENTAR

 

Beide der karmas sind vermieden zu werden, da sie zu dem gleichen unerwünschten Ergebnis führen.

Der Autor betont den gleichen Punkt durch eine Analogie.

 

148.                       und 149. So eine Person gewisse Menschen kennt, von schlechtem Charakter zu sein und gedankliche Verbindung mit ihnen und Anbindung an sie aufgibt, ebenso, jene das Reine Selbst begehrend und die Wesensart und Charakter von karmischen prakatîs wissend böse zu sein, verhütet das Annähern von karmischen Partikel (savara) und entwurzelt die schon bestehenden (nirjarâ).

 

KOMMENTAR

 

Der Kommentator, Amtacandra, gibt eine zusätzliche Schilderung. Ein kluger wilder männlicher Elephant, sieht einen anlockenden-weiblichen Elephanten – mit erfreulichen Blicken oder andererweise ihm mit schmeichelhaften Gesten nähernd mit dem Ziel, ihn anzuketten. Ihren bösartigen Zweck lernend, bekundet er nicht irgendeine Zuneigung zu ihr noch verbindet er sich gedanklich mit ihr. Auf dieselbe Weise ein erleuchtetes Selbst, wissend, dass die Annäherung von karmas, ob angenehm oder unangenehm, für den Zweck ist, ihn zu binden, vermeidet sie und gibt jede gedankliche Verbindung mit ihnen auf.

Dass die zwei karmas abgelehnt werden sollten wird ferner mit der Autorität der âgama oder Schriften betont.

 

150.                       Das Selbst mit Anhaftung gelangt durch karmas gebunden, aber eines mit Loslösung bleibt frei von karmas. So hat der Jina verkündet. Deshalb bekunde nicht Anziehung zu karmas.

 

KOMMENTAR

 

Somit werden Anhaftung und Loslösung gezeigt, Ursachen von Bindung und beziehungsweise Befreiung zu sein.

 

151.                       Wahrlich, das höchste Wirkliche, das Selbst, das Reine, der Allwissende, der Seher und der Wisser (alles bedeutet die paramâtmâ). Somit mit dem auf das Reine Selbst fixierte Nachsinnen, erlangt der Ṛṣis Nirvâa.

 

KOMMENTAR

 

Paramâtmâ wird in den folgenden Begriffen für die entsprechenden Überzeugungen beschrieben. Er wird gesagt paramârtha zu sein, weil er die höchste Wirklichkeit ist. Er ist samaya, da er das Selbst in reinen Eigenschaften und Modi manifestierend ist; er ist śuddha der Reine, da er frei von beiden, materiellen und psychischen, karmas ist; er ist kevalî, weil seine Wesensart von Allwissenheit ist ungeholfen durch irgendwelche äusseren Hilfsmitteln solchen wie Sinnes-Wahrnehmung; er ist muni, weil von einer intuitiven Wahrnehmung von Wirklichkeit; und er ist jñânî, weil er von der Wesensart von jñâna oder Wissen ist. Obwohl es verschiedene Namen sind, weisen sie alle auf die gleiche Wirklichkeit.

 

152.                       Wenn jemand Einschränkungen (tapas) ausübt, oder Gelübde (vratas) beachtet, ohne fixierte Überlegung über das Höchste Selbst, nennt der alles-Wissende all dies kindische Einschränkung (bâlatapa) und kindisches Gelübde (bâlavrata).

 

KOMMENTAR

 

Jñâna ist die schlussendliche Ursache von moka oder Befreiung. Was auch immer getan wird ohne den Hintergrund von richtigem Wissen wird seine Ziele nicht erreichen. Nachahmung ist eine Charakteristik des Kindes. Was immer getan wird durch Nachahmung ist gewiss mangelnd am inneren Hintergrund des Wissens. Infolgedessen kann nachahmendes Benehmen im Kind nicht die gleiche Wirkung haben als im Fall eines erwachsenen Individuums. Solch ein nachahmendes Benehmen kann ein vergnügliches Spiel sein und kann nicht irgendeine wirkliche Bedeutung haben. Gleichermassen weerden die Ausführung von tapas und Beachtung von vratas ohne den notwendigen Hintergrund von richtigem Wissen lediglich nachahmendes Benehmen von der Seite einer unwissenden Person sein; infolgedessen würde das begehrte Ziel oder ideal nicht erzeugt. Um die Vergeblichkeit von nachahmendem Verhalten ohne den Hintergrund von richtigem Wissen zu enthüllen, nennt sie der Autor bâlatapas und bâlavratas.

 

153.                       Jene, die ausserhalb des Vorhandenseins von paramârtha oder Höchstem Selbst sind, selbst obwohl sie Gelübde, Beschränkungen und Verhaltensregeln sind und Einschränkungen ausüben, sind ohne richtiges Wissen.

 

KOMMENTAR

 

Wahres Wissen ist die Bedingung für moka oder Befreiung. Wenn dies fehlt, werden nur äussere Tätigkeiten solche wie strikte Beachtung von Verhaltensregeln und Ausführung von strengen Einschränkungen von keinem Nutzen sein. Sie können durch sich nicht zu Nirvâa führen. Fehlen von wahrem Wissen wird gewiss zu karmischer Bindung führen.

 

154.                       Diejenigen, die ausserhalb des Vorhandenseins von paramârtha oder Höchstem Selbst sind, durch ihr Unwissen – nicht zu wissen, dass – Tugend zu sasâra führt, begehren dasselbe mit dem Glauben, dass es zu moka führen wird.

 

KOMMENTAR

 

Jene, die alle Verhaltensregeln beachten, vorstellend, dass sie den Pfad begehen, der zu moka führt, sind völlig verfehlt. Selbst gutes Verhalten führt zu karmischer Bindung. Eine unwissende person, die dieser Wahrheit nicht gewahr ist und prahlend eifert, „Ich habe alle Gebote aufrechterhalten, was mehr soll Ich tun, um in das Königreicht von Gut einzutreten“, wird bald ernüchtert sein.

Somit endet das Kapitel über Puya,

Als nächstes nimmt der Autor die Diskussion über pâpa oder Laster auf. Er impliziert indirekt, dass Laster die Ursache von sasâra ist, durch das Gegenteil, moka, und seine Ursache festzustellen.

 

155.                       Glaube in die padârthas, solche wie Seele, usw., ist richtiger Glaube, und ihre wahre Wesensart zu kennen, ist richtiges Wissen; dann Anhaftung, usw., entwurzeln, ist richtiges Verhalten. Diese zusammen bilden den Pfad zu moka.

 

KOMMENTAR

 

Dies sind die bekannten drei Juwelen oder die ratnatraya, die gemäss Jainismus das moka mârga bilden.Ratnatraya oder die drei Juwelen werden von zwei Gesichtspunkten, vyavahâra und niścaya, betrachtet. Vyavahâra ratnatraya führt schrittweise zu moka, und niścaya ratnatraya führt direkt zu moka.

Von diesen zwei muss der Ṛṣi den direkten und unmittelbaren Pfad zu moka wählen, das heisst wirkliche oder höhere ratnatraya. Aber der Andere, welcher im schrittweise die Frucht zu erzeugen tätig wird, sollte von den gewöhnlichen Sterblichen angenommen werden.

 

156.                       Da es verkündet ist, dass Zerstörung von karmas nur jenen yatis möglich wird, die den absoluten Gesichtspunkt übernehmen, werden die Weisen nicht durch (vyavahâramârga), den praktischen Pfad, gehen, den (niścayamârga), absoluten beiseite lassend.

 

KOMMENTAR

 

Wenn es zwei offene Handlungsweisen für eine Person gibt, die übergeordnete und die untergeordnete, wird der Weise immer die übergeordnete wählen.

Als nächtes wird klargelegt, wie dieser Pfad zu Erlösung durch die Betätigung von üblen karmischen Bedingungen solche wie mithyâtva oder falschen Glauben, usw. versperrt wird.

 

157.                       158 und 159. Wie das Weisse der Kleidung zerstört wird, durch sein mit Schmutz bedeckt werdend, so lasst es gewusst sein, dass richtiger Glaube durch falschen Glauben verwischt wird. Wie das Weisse der Kleigung zerstört wird durch sein mit Schmutz bedeckt werden, so lasst es gewusst sein, dass richtiges Wissen zerstört wird, wenn durch nicht-Wissen getrübt. Wie das Weisse der Kleidung zerstört wird durch sein bedeckt mit Schmutz werdend, so lasst es gewusst sein, dass richtiges Verhalten verdreht wird, wenn durch Seele-beschmutzende Leidenschaften verdorben.

 

KOMMENTAR

 

Glaube, Wissen und Verhalten, so lange als sie wahr sind, bilden den Pfad zu moka. Aber wenn sie durch den Einfluss von entsprechenden karmischen Materien verdreht werden, gelangen sie abgefälscht vom richtigen Pfad, das Selbst zu sasâra zerrend. Somit gelangen die reinen Manifestationen des Selbst durch den Einfluss der karmas zerstört, gerade wie ein weisses Kleid durch Unreinheiten beschmutzt gelangt.

 

160.                       Das Selbst, das durch Wesensart all-wissend und all-wahrnehmend ist, wird wenn durch seine eigenen karmas beschmutzt, weitergezerrt zu sasâra, den Geburten- und Todekreis, und wird unfähig alle Dinge vollständig zu wissen.

 

161.                       162 und 163. Es wird durch Jina verkündet, dass mithyâtva karma entgegengesetzt zu Richtigem Glauben ist; wenn das beginnt tätig zu werden, wird das Selbst ein falscher Gläubiger; so lasst es gewusst sein. Es wird durch Jina verkündet, dass nicht-Wissen gengegengesetzt zu Richtigem Wissen ist; wenn die tätig zu werden beginnt; wird das Selbst ajñâni (jemand ohne Wissen), so lasst es gewusst sein. Es wird durch Jina verkündet, dass kaâya (Seele-beschmutzende grobheitliche Gefühle) entgegengesetzt zu Richtigem Verhalten ist; wenn dies tätig zu werden beginnt, wird das Selbst acâritra (ohne Richtiges Verhalten); so lasst es gewusst sein.

 

KOMMENTAR

 

Gerade wie ein farbloser Kristall die Farben der verbundenen Objekte anzieht, so unterzieht sich das reine Selbst verschiedenartiger unreiner Abänderungen wie bestimmt durch die verschiedenartigen karmas. Somit sollten aus allen Gesichtspunkten, alle karmas zerstört werden.

So endet das Kapitel über pâpa pâdârtha, die Kategorie von Laster.

Das karma, welches die Rolle der zwei Charaktere puya und pâpa, Tugend und Laster tätigte, verlässt die Bühne.