SEITE 315 [Fortsetzung] Jainismus Titel Inhalt voriges Kapitel Druckversion dieser Seite in Pdf
Es gibt vier (ketzerische) Glaubensbekenntnisse[3], welche die Streitenden einzeln zu aufrechterhalten: 1. die Kriyâvâda, 2. die Akriyâvâda, 3. die Vinayavâda und 4. die Agñânavâda. (1)
Die Agnostiker[4], obwohl sie (vorgeben)
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Klug zu sein, argumentieren unzusammenhängend, und gelangen nicht über die Verwirrung ihrer Ideen hinaus. Unwissende (Lehrer) sprechen zu unwissenden (Schülern), und ohne Überlegung sprechen sie Unwahrheit. (2)
Glaubend, Wahrheit Unwahrheit zu sein, und einen schlechten Menschen gut nennend, die verschiedenen Aufrechterhalter von Vinaya, erkundigten sich danach, erklären ihren Grundsatz[5]. (3)
Ohne die Wahrheit wahrnehmend sprechen sie so: dieses Objekt (nämlich Môksha) wird von uns verwirklicht (nämlich durch Vinaya). Die Akriyâvâdins, die Karman[6] verneinen, geben nicht zu, dass die Handlung (auf) zukünftige Momente[7] (der Seele übertragen wird). (4)
Sie werden in Widerspruch ihrer eigenen Behauptungen verwickelt; sie schwanken in ihrer Sprache und sind unfähig zu wiederholen, was ihnen gesagt wird[8]. Dies (ihre Anschauung) hat eine kühne Gegen-Ansicht, diese (unsere Anschauung) hat keine kühne Gegen-Anschauung; und Karman hat sechs Quellen[9]. (5)
Die Akriyâvâdins, die die Wahrheit nicht verstehen, bringen verschiedenen Ansichten vor, viele
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an sie glaubende Menschen werden im endlosen Kreis der Geburten herumwirbeln. (6)
"Dort geht die Sonne nicht auf, noch geht sie unter; dort nimmt kein Mond zu, noch nimmt er ab; es gibt keine laufenden Flüsse, noch keine blasenden Winde; die ganze Welt wird festgestellt unwirklich zu sein[10]." (7)
Wie ein Blinder, wenn er ein Licht hat, keine Farben sieht, usw., denn er ist seines Augen(lichts) entzogen, so die Akriyâvâdin, eine verzerrte Urteilskraft habend, die Handlung (der Seele) nicht anerkennt, obwohl sie besteht. (8)
Viele Menschen in dieser Welt, die Astrologie studiert haben, die Kunst der Traumdeutung, Wahrsagen aus den Diagrammen, Vorzeichen, Wahrsagerei von körperlichen Merkmalen, und von Vorzeichen, und den acht Zweigen (der Weissagung aus Vorzeichen), kennen die Zukunft[11]. (9)
(Die Gegner sagen, dass) einige Prognosen wahr sind, und die Prophezeiungen von anderen beweisen Unrecht; daher studieren sie nicht jene Wissenschaften, aber sie behaupten, die Welt zu kennen, Narren indessen seien sie[12]. (10)
Die (Kriyâvâdins) Sramanas und Brâhmanas die Welt verstehend (nach ihrem Begriffsvermögen), sprechen so: Elend wird durch die eigenen Werke erzeugt, nicht durch jene von jemand anderem (nämlich Schicksal, Schöpfer, usw.)[13]. Aber richtiges Wissen und Verhalten führen zu Befreiung. (11)
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Die (Tîrthakaras), seiend (sozusagen) die Augen der Welt und ihrer Führer, lehren den Pfad, der heilsam für Menschen ist; sie haben erklärt, dass die Welt ewig ist, insofern Geschöpfe Kreaturen (für immer) in ihr leben werden, O ihr Menschen! (12)
Die Râkshasas und die Bewohner in der Welt von Yama, die Truppen[14] von Asuras und Gandharven, und die Geister, die die Luft begehen, und individuelle Wesen[15]: sie alle werden wieder und wieder geboren werden. (13)
(Das Samsâra), welches mit der grenzenlosen Flut von Wasser[16] verglichen wird, wisse es unpassierbar zu sein und von sehr langer Dauer wegen der wiederholten Geburten[17]. Männer darin, durch ihre Sinne und durch Frauen verführt, werden immer wieder geboren und zwar sowohl (als bewegliche und unbewegliche Wesen). (14)
Die Sünder können nicht ihre Werke durch neue Werke vernichten; der Fromme vernichtet ihrer Werke durch Enthaltung von Werken; die weisen und glücklichen Menschen, welche sich frei machen von den Auswirkungen von Gier, begehen keine Sünden. (15)
Sie kennen die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Wege der Welt; sie sind Führer von anderen Menschen, aber folgen keinem Führer, sie sind erweckt und setzen ein Ende zu weltlicher Existenz. (16)
Abgeneigt zu Verletzung von Lebewesen, handeln sie nicht, noch bewirken andere zu handeln. Immer sich selbst beschränkend,
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üben jene frommen Männer (Selbst-) Kontrolle aus, und manche werden Helden durch ihr Wissen. (17)
Er beachtet kleine Wesen und große Wesen, die ganze Welt als gleich zu sich selbst; er begreift die unermessliche Welt, und erweckt geworden kontrolliert er sich selbst unter den Achtlosen. (18)
Diejenigen, die (die Wahrheit) durch sich selbst oder von anderen gelernt haben, sind in der Lage sich selbst und andere(zu retten). Man sollte immer einen Mann ehren, der wie ein Licht ist, und das Gesetz offenbar macht, es gut bedacht habend. (19)
Er, der sich selbst kennt und die Welt; der weiß, wohin (die Geschöpfe) gehen, und weshalb sie nicht zurückkehren werden; der weiß, was ewig ist, und was vergänglich ist; Geburt und Tod, und die künftige Existenz der Menschen; (20)
Er, der die Qualen von Wesen unten (d.h. in der Hölle) kennt, der den Zustrom von Sünde und ihre Unterbrechung kennt [18]; der Elend und seine Vernichtung kennt, - er ist berechtigt die Kriyâvâda[19] zu äußern; (21)
Nicht angehaftet zu sein zu Klängen und Farben, ununterschiedlich zu Geschmäcker und Gerüchen, nicht begehrend Leben noch Tod, bewacht durch Kontrolle, und befreit von dem Kreis (von Geburten). (22)
So sage ich.
Ende der zwölften Vorlesung genannt "DAS GLAUBENSBEKENNTNIS"
nächste SEITE DREIZEHNTE VORLESUNG genannt "DIE WIRKLICHE WAHRHEIT"
[1] Srutaskandha. Sein Sanskrit-Titel erwähnt durch Sîlâṅka ist Gâthâshô dasaka, d.h. das Buch, dessen Sechzehnte Vorlesung Gâthâ genannt wird. Es ist erwähnt in der Uttarâdhyayana XXXI, 13 durch den Namen der sechzehn Gâthâs, siehe oben, SEITE 182.
[2] Samôsarana = samavasarana. Dieses Wort und das Verb samôsarai werden gewöhnlich verwendet, wenn Mahâvîra zu einem um ihn herum versammelten Treffen (mêlâpaka) predigt.
[3] Vergleiche Uttarâdhyayana XVIII, Vers 23, SEITE. 83, Anmerkung 2
[4] Annâniyâ = agñânikâs, die Anhänger der vierten Sekte.
[5] Nämlich dass Môksha ankommen wird durch Vinaya, Disziplin
[6] Lavâvasaṅkî. Lava wird durch Karman erklärt und avasaṅkî durch apasartum sîlam yêshâm tê
[7] Der Sinn ist, dass da alles nur ein momentanes Dasein hat, es keine Verbindung zwischen dem Ding, wie es jetzt ist, gibt, und wie es im nächsten Moment sein wird. Dies ist eine Lehre der Bauddhas. Aber die Sâṅkhyas werden ebenfalls zu den Akriyâvâdins gerechnet, weil nach ihnen das âtman nicht handelt.
[8] Sîlâṅka hat in seinem Kommentar auf dieser Stelle ziemlich viel über die Bauddhas zu sagen. Es ist vielleicht von Interesse, dass er ihre 500 Gâtakas erwähnt und nicht vierunddreißig, welches die Zahl der anerkannten Gâtakas nach den Nördlichen Buddhisten ist. Wie Sîlâṅka zu einer Kenntnis über die von den südlichen Buddhisten anerkannten Zahl der Gâtakas kam, kann ich nicht sagen.
[9] Nämlich die sechs Âsravas
[10] Dies ist die Stellungnahme der Sûnyavâdins, die betrachtet werden, zu den Akriyâvâdins zu gehören, weil sie alle Handlungen leugnen, selbst solche, die von jedermann wahrgenommen werden (Sîlâṅka).
[11] Dies wäre unmöglich, wenn die ganze Welt unwirklich war
[12] Eine verschiedenen Lesung, kommentiert darauf durch die Gelehrten, lautet so: âhamsu viggâpalimokkham êva, sie sagen, "dass man Wissenschaft aufgeben muss".
[13] Die Kriyâvâdins verfechten, nach Sîlâṅka, dass Arbeiten alleine, für sich selbst, ohne Wissen, zu Môksha führt.
[14] Kâya. Die Kommentatoren erklären, dieses Wort als Bezeichnung für die Erd-Körper, usw., aber aus dem Zusammenhang wird ersichtlich, dass es sich auf Asuras und Gandharvas bezieht, und muss durch "Truppen" übersetzt werden.
[15] Pudhô siyâ = prithak sritâh; gemäss Sîlâṅka, prithivyâsritâh. Dieser Ausdruck wird in der Regel verwendet, um die niedrigere Rangfolge der Wesen zu bezeichnen.
[16] Diese Metapher ist interessant zu vergleichen mit der biblischen Sintflut oder dem roten Meer, usw.
[17] Zu übersetzen bhavagahana
[18] Âsrava and samvara
[19] Es ist offensichtlich, dass die Gainas sich selbst als Kriyâvâdins betrachteten. Ich hatte diese Textstelle übersehen, als ich die Anmerkung auf SEITE 83 niederschrieb. Vergleiche Uttarâdhyayana XVIII, Vers 23, SEITE. 83, Anmerkung 2