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Einmal fragte ich den Kêvalin, den großen Weisen[2]: Was ist die Strafe in den Höllen? Es wissend, O Weiser, sage es mir, der es nicht weiß! Wie gehen Sünder zur Hölle? (1)
Als ich so den berühmten Kâsyapa fragte, sprach der Allwissenden[3] wie folgt: Ich werde die wahrhaft unerträglichen Schmerzen beschreiben, wo es Qual und (die Bestrafung von) bösen Taten gibt. (2)
Jene grausamen Sünder, die aus dem Wunsch nach (weltlichem) Leben, böse Taten begehen, werden in die schreckliche Hölle versinken, die voll von dichter Dunkelheit und großem Leid ist. (3)
Er der immer bewegliche und unbewegliche Wesen wegen seinem eigenen Wohlbefinden tötet, der sie verletzt, der nimmt, was nicht frei gegeben wird, der nicht lernt, was ausgeübt zu werden hat (nämlich Kontrolle); (4)
Der freche Sünder, der viele Wesen schädigt, ohne mitleidig werden[4], wird zur Hölle gehen; am Ende seines Lebens sinkt der Wille an den (Ort von) Finsternis; Kopf abwärts kommt er an den Folterort. (5)
Sie hören die Schreie der Bestrafer: Schlage, schneide,
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zerteile, verbrenne ihn! Die Gefangenen in der Hölle verlieren ihre Sinne vor Schreck und wissen nicht, in welche Richtung zu rennen. (6)
An einen Ort wie ein brennender Haufen Kohlen auf Feuer gehend und verbrannt werdend, schreien sie schrecklich; sie bleiben dort lange, laut kreischend. (7)
Hast du schon von dem schrecklichen (Fluss) Vaitaranî gehört, dessen schneidende Wellen wie scharfe Rasiermesser[5] sind? Sie überqueren den schrecklichen Vaitaranî, angetrieben werdend von Pfeilen, und verletzt mit Speeren. (8)
Die Bestrafer durchbohren sie mit Wurfpfeilen; sie gehen in das Boot, das Gedächtnis verlierend; andere durchbohren sie mit langen Lanzen und Dreizacke, und werfen sie auf den Boden. (9)
Einige, um deren Hals große Steinen gebunden sind, werden im tiefen Wasser ertränkt. Andere wieder rollen im Kadambavâlukâ (Fluss)[6] herum oder in brennendem Spreu, und werden darin geröstet. (10)
Und sie kommen zu der großen unpassierbaren Hölle, voll von Seelenangst, genannt Asûrya (d.h., wo die Sonne nicht scheint), wo es große Dunkelheit gibt, wo Feuer, oben, unten, und um alles platziert, lodernd sind. (11)
Dort, wie in einer Höhle, geröstet auf dem Feuer werdend, wird er verbrannt, die Erinnerung (an seine Sünden) und das Bewusstsein von allem anderen verloren habend; immer leidend (kommt er) zu dieser elenden heißen Stelle, die ewig bereit ist (für die Bestrafung von Übeltätern)[7]. (12)
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Dort haben die grausamen Bestrafer vier Feuer angezündet, und braten die Sünder; sie werden dort geröstet wie Fische lebend über das Feuer gelegt. (13)
Die Gefangenen in der Hölle kommen zum schrecklichen Ort namens Santakshana[8] (d.h. schneidend), wo die grausame Bestrafer ihre Hände und Füße binden, und mit Äxten in ihren Händen, sie wie Holzbohlen schneiden. (14)
Und sie drehen die sich windenden Opfer um, und stopfen sie, wie lebende Fische, in einen mit ihrem eigenen Blut gefüllten eisernen Kessel, ihre Glieder mit Kot bedeckt, ihre Köpfe zertrümmert. (15)
Sie sind dort nicht zu Asche reduziert, und sie sterben nicht von ihren enormen Schmerzen; unterziehend diese Strafe[9], leiden die Elenden für ihre Missetaten. (16)
Und an der Stelle, wo es konstantes Schlottern gibt, begeben sie sich zu einem großen brennenden Feuer; aber sie finden keine Erleichterung in diesem Ort der Folter, die Peiniger foltern sie immer noch[10]. (17)
Es wird überall der Lärm von schmerzvoll geäußerten Schreien gehört genau wie auf der Straße einer Stadt. Jene, deren schlechtes Karman wirksam wird (nämlich die Bestrafer), quälen immer wieder gewaltsam diejenigen, deren schlechtes Karman auch wirksam wird (nämlich die Bestraften). (18)
Sie nehmen dem Sünder sein Leben; ich werde dir wirklich sagen, wie dies gemacht wird. Die Gottlosen (Bestrafer) erinnern durch (ähnliche) Strafe, (ihre Opfer) an alle Sünden, die sie in einem früheren Leben begangen hatten[11]. (19)
Getötet werden sie in eine Hölle geworfen, die
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voll von kochendem Schmutz ist. Dort bleiben sie Schmutz essend, und sie werden von Ungeziefer aufgefressen. (20)
Und es gibt einen immer (dicht mit Menschen) gedrängte, heiße Stelle, welche Menschen verdienen für ihre großen Sünden, und welche das voll von Elend ist[12]. (Die Bestrafer) setzen sie in Fesseln, schlagen ihre Körper, und quälen sie (mit Durchbohren) ihrer Schädel mit Bohrern. (21)
Sie schneiden dem Sünder die Nase mit einem Rasiermesser ab, sie schneiden beide Ohren und Lippen ab; sie ziehen die Zunge eine Spanne Länge heraus und quälen (ihn mit sie durchstechen) mit scharfen Spiessen. (22)
Dort wimmern die Sünder tropfend (mit Blut) Tag und Nacht genauso wie trockene Blätter einer Palme (durch den Wind in Bewegung versetzt). Ihr Blut, Materie, und Fleisch abfallend, während sie geröstet werden, wobei ihre Körper mit Natron beschmiert werden. (23)
Hast du schon gehört vom großen, errichteten Kessel von mehr als der Größe des Menschen, voller Blut und Eiter, welcher äusserst erhitzt wird durch ein frisches Feuer, in welchem Blut und Eiter gesotten werden? (24)
Die Sünder werden in ihn hineingeworfen und dort gekocht, während sie schreckliche Schreie von Todesängsten von sich geben; sie werden angehalten geschmolzenes Blei und Kupfer zu trinken, wenn sie durstig sind, und sie kreischen immer noch entsetzlicher. (25)
Jene Übeltäter, die hier ihrer Seelen (Glück) wegen kleinen (Vergnügungen) verscherzt haben, und in den niedrigsten Geburten während Hunderttausenden von "früheren Jahren" geboren worden sind, werden in dieser (Hölle) bleiben. Ihre Strafe wird entsprechend ihrer Taten sein. (26)
Die Verruchten, die Verbrechen begangen haben, werden
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sie abbüssen, beraubt von allen angenehmen und lieblichen Objekten, durch Hausen in der stinkenden überfüllten Hölle, ein Schauplatz von Schmerz, welcher voll ist von Fleisch (usw.). (27)
So sage ich. .
Ende des ersten Kapitels der vierten Vorlesung des ersten Buches
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[1] Srutaskandha. Sein Sanskrit-Titel erwähnt durch Sîlâṅka ist Gâthâshô dasaka, d.h. das Buch, dessen Sechzehnte Vorlesung Gâthâ genannt wird. Es ist erwähnt in der Uttarâdhyayana XXXI, 13 durch den Namen der sechzehn Gâthâs, siehe oben, SEITE 182.
[2] D.h. Mahâvîra. Sudharman spricht zu Gambûsvâmin.
[3] Âsupanna--âsupragña "schnell begreifenden". Ich gebe in der Regel dieses Wort mit "intelligent" wieder, wenn es von gewöhnlichen Mönchen verwendet wird.
[4] Anivvuê = anirvritah
[5] Sîlâṅka sagt, dass das Wasser dieses Flusses Alkali-und heißes Blut ist; vgl. Uttarâdhyayana XIX, SEITE 95, Vers 59 (und seine Anmerkung, ΑΏ).
[6] Siehe Hinweis auf Uttarâdhyayana XIX, SEITE 94, Vers 50, Anm. I.
[7] Die letzten beiden Zeilen kehren in Vers 21 wieder mit dem einzigen Unterschied, dass dort kasinam steht für kalunam an diesem Platz; doch die Kommentatoren bieten eine andere Erklärung am zweiten Platz an. In meiner Übersetzung folge ich ihrer Interpretation beide Male
[8] Hier und an ähnlichen Orten nehmen die Kommentatoren das Wort nicht als Eigenname, sondern als ein Epitheton (Beiwort, ev. aus mnemotechnischen Gründen präliteraler Zeit. ΑΏ)
[9] Anubhâga
[10] Oder, mit brennenden Feuer, rösten sie sie
[11] Siehe Uttarâdhyayana XIX, SEITE 96, Vers 69 ff.,
[12] Vergleiche Hinweis auf SEITE 280, Vers 12. Die gleiche Zeile wiederholt sich im nächsten Kapitel, Vorlesung 5, SEITE 285, Vers 13. Der Kommentator gibt dort die gleiche Erklärung wie hier.