Jaina Sutras, Teil II (SBE45), übersetzt in Englisch von Hermann Jacobi, [1895 a.D.], bei sacred-texts.com
In Deutsch von ΑΏ [2009 a.D.]
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Ich werde in gebührender Reihenfolge die Disziplin eines obdachlosen Mönchs erklären, der von allen weltlichen Bindungen losgekommen ist. Listen to me. Hör mir zu. (1)
Ein Mönch, beim Erhalt eines Auftrags[1] von seinem Vorgesetzten[2] , geht auf ihn zu, sein Kopfnicken und Bewegungen beobachtend, wird artig genannt. (2)
But a monk who, on receiving an order from his superior, does not walk up to him, being insubordinate and inattentive, is called ill-behaved. Aber ein Mönch, der beim Erhalt eines Auftrags von seinem Vorgesetzten, nicht auf ihn zugeht, unbotmäßig und unaufmerksam seiend, wird ungezogen genannt. (3)
Wie eine Hündin mit wunden Ohren überall verjagt wird,
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so wird ein schlechter, unbotmäßiger, und geschwätziger (Schüler) herausgestellt. (4)
Wie ein Schwein einen Trog gefüllte mit Getreide zum füttern mit Kot verlässt, so wendet sich eine Bestie (von einem Menschen) von der Tugend ab, und findet Gefallen an bösen Wegen. (5)
Hört ein Mann so einen Vergleich zu einem Hund und einem Schwein, er der sein eigenes Wohlergehen wünscht, sollte verbunden sein mit gutem Benehmen. (6)
Daher sei eifrig für Disziplin, dass du Rechtschaffenheit erwerben kannst; ein Sohn der Weisen[3], wer Befreiung[4] begehrt, will nicht von überall weggewiesen werden. (7)
Man sollte immer sanftmütig und nicht in Anwesenheit der Weisen geschwätzig sein; man sollte wertvolles Wissen erwerben und vermeiden, was wertlos ist. (8)
Wenn gerügt sollte ein weiser Mann nicht zornig werden, aber er sollte von einer nachsichtigen Stimmung sein; er sollte sich nicht mit niederträchtigen Menschen eng verbinden, lachen und spielen. (9)
Er sollte nichts niederträchtiges machen[5], noch viel reden; aber nachdem er seine Lektion gelernt hat, sollte er über sich selbst meditieren. (10)
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Wenn er zufällig irgendetwas niederträchtiges tut, sollte er es niemals leugnen, aber wenn er es getan hat, sollte er sagen: "Ich habe es getan," wenn er es nicht getan hat: "Ich habe es nicht getan." (11)
Er sollte nicht in jedem Fall, auf den ausdrücklichen Befehl (des Lehrers) warten wie ein ungezähmtes Pferd auf die Peitsche (der Fahrer), sondern wie ein gezähmtes Pferd, welches die Peitsche (des Reiters) sieht, sollte er keine böse Tat begehen. (12)
Ungehorsam, grob sprechend, schlecht erzogene Schüler werden auch einen sanften Lehrer ärgern; nur jene werden bald sogar einen hitziger Lehrer gewinnen, der ihn gewähren lässt und höflich ist. (13)
Er sollte nicht unaufgefordert sprechen, und gefragt, sollte er keine Lüge erzählen; er sollte nicht seinem Zorn nachgeben, und mit Gleichmut angenehme und unangenehme Ereignisse ertragen. (14)
Unterwerfe dein Selbst, denn das Selbst ist schwer zu bezwingen; wenn dein Selbst gebändigt ist, wirst du in dieser Welt und in der nächsten glücklich seom. (15)
Besser ist es, dass ich mein Selbst durch Selbst-Kontrolle und Buße unterwerfe, als von anderen mit Fesseln und körperlicher Züchtigung unterworfen werden. (16) (16)
Er sollte nie etwas Unangenehmes dem Weisen antun[6], weder in Worten noch Taten, weder offen noch heimlich. (17)
Er sollte nicht (sitzen) an der Seite des Lehrers, noch vor ihm, noch hinter ihm; er soll nicht (des Lehrers) Oberschenkel mit seinem eigenen berühren, noch seinen Anruf vom Lager her beantworten[7]. (18)
Ein gut erzogener Mönch sollte nicht auf seinen Schinken sitzen[8],
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noch seine Arme kreuzen[9], noch seine Beine ausstrecken, noch (zu) nahe zu seinem Lehrer stehen. (19)
Wenn angesprochen durch den Vorgesetzten, sollte er nie still bleiben, aber es als eine Gunst betrachten; ausbittend für seinen Preis erzielen[10], sollte er sich stets höflich seinem Lehrer nähern. (20)
Wenn der Lehrer wenig oder viel redet, sollte er nie ungeduldig werden; aber ein intelligenter Schüler sollte sich von seinem Sitz erheben und bescheiden und aufmerksam (des Lehrers) Abfrage antworten. (21)
Er sollte nie eine Frage stellen, wenn er auf seinem Stuhl oder dem Bett sitzt, sondern sich von seinem Sitz[11] erheben und näher kommend, sollte er ihn mit gefalteten Händen fragen. (22)
Wenn ein Schüler, der die oben genannten Verhaltensregeln beachtet, den Lehrer über den heiligen Text befragt, seine Bedeutung, oder beides, sollte er es überliefern gemäss der Überlieferung. (23)
Ein Mönch sollte Unwahrheit vermeiden, noch sollte er positiv (über zukünftige Dinge, seine Pläne, etc.) sprechen; sollte er sündige Rede vermeiden und immer freihalten von Betrug. (24)
Er sollte nicht irgendetwas Sündhaftes oder Bedeutungsloses[12]
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oder Verletzendes sagen, weder um seiner selbst willen noch für jemand anders, noch ohne solch einen Beweggrund. (25).
In Geschäften von Friseuren[13] oder Häusern, auf dem Boden, der zwei Häuser trennt, oder auf der Landstrasse, sollte ein einziger Mönch nicht mit einer einzigen Frau stehen, noch soll er sich mit ihr unterhalten. (26)
Jede Anweisung, die die Weisen[14] mir in einer netten oder einer groben Art geben mögen, werde ich mit Hingabe akzeptieren, denken, dass es für mein Wohlergehen ist. (27)
(Des Lehrers) Anweisung, seine Methode sie zu geben, und sein Tadeln böser Handlungen sind als segensreich betrachtet durch den intelligenten, aber hasserfüllt durch den schlechten Mönch. (28)
Weise, furchtlose Mönche betrachten selbst eine grobe Anleitung als eine Gunst, aber die Narren hasse es, obwohl es Geduld und Reinheit des Geistes erzeugt. (29)
Er sollte einen niedrigen, festen Sitz besetzen, der nicht schwankt; selten erhebend und nie ohne einen Grund, sollte er regungslos sitzen. (30)
Zur rechten Zeit sollte ein Mönch sich aufmachen, und er sollte zum richtigen Zeitpunkt zurückkehren; vermeidend, etwas außerhalb der Zeit zu tun, sollte er tun, was für jede Periode des Tages angemessen ist. (31)
Ein Mönch sollte sich nicht (essenden Leuten), die in einer Reihe sitzen nähern, sondern sollte Almosen sammeln, die freiwillig gegeben werden; gebettelt habend nach den sanktionierten Regeln, sollte er einen bescheidenen Teil zur richtigen Zeit essen. (32)
Ein Mönch sollte (für seine Almosen) allein warten, nicht zu weit von anderen Mönchen, noch zu nahe an sie, aber so, dass er nicht von einer anderen Partei gesehen wird; ein anderer Mönch sollte nicht an ihm vorbeigehen um seinen Startplatz von ihm zu bekommen. (33)
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Weder kühn aufgerichtet, noch demütig hinuntergebeugt, weder zu nahe noch zu weit weg stehend, sollte ein Mönch erlaubte[15] Lebensmittel annehmen, die für jemand anderen vorbereitet wurde[16]. (34)
An einem Ort, der oben bedeckt ist und auf allen Seiten geschützt, wo es keine lebenden Wesen noch Samen gibt, sollte ein Mönch in Gesellschaft essen, zurückhaltend und unbekleidet. (35)
Ein Mönch sollte ebenso unerlaubte solche Nahrung vermeiden wie gut gewürzt ist, oder gut gekocht oder gut geschnitten, oder solche, in denen viel Gewürz ist, oder welches sehr reichhaltig, oder sehr viel schmackhaft gemacht, oder viel gesüßt ist [17]. (36)
(Der Lehrer) entnimmt Freude an der Unterweisung eines (Schülers), wie der Reiter (im handhaben) eines gut gezähmten Pferdes; aber er ermüdet einen törichten (Schüler) zu unterrichten, ebenso wie der Reiter (ermüdet) ein ungezähmtes Pferd zu (handhaben). (37)
(Ein schlechter Schüler denkt:) "Ich bekomme nur Schläge und Ohrfeigen, harte Worte und Hiebe;" und er glaubt, ein Lehrer, der ihn gut unterweist, ein böswilliger Mann zu sein. (38) (38)
Ein guter Schüler hat die beste Meinung (von seinem Lehrer), denkend, dass er ihn behandelt wie seinen Sohn oder Bruder oder einen nahen Verwandten[18]; aber ein übelwollender Schüler wähnt sich wie ein Sklave behandelt. (39)
Er sollte nicht provozieren seines Lehrers Zorn, noch
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sollte er selbst zornig werden; er sollte nicht den Lehrer beleidigen noch ihn reizen, indem er seine Fehler verkündet [19]. (40)
Wahrnehmend des Lehrers Zorn sollte man ihn mit Güte beruhigen, ihn mit gefalteten Händen beschwichtigen, und versprechen, nicht wieder Unrecht zu tun. (41)
Er, der die Verhaltensweise übernimmt welche die Weisen[20] durch ihre Tugenden und immer in die Praxis umgesetzt, erreicht haben, wird sich nicht Tadel zuziehen. (42)
Erratend des Lehrers Gedanken und den Sinn seiner Worte, sollte man seine Zustimmung zum Ausdruck bringen und auszuführen (was er wünscht getan zu werden). (43)
Ein ausgezeichneter Schüler bedarf keine ausdrücklichen Anweisungen, oder er ist (mindestens) schnell gelenkt; er führt stets seine Aufgaben aus, so wie ihm gesagt wurde. (44)
Ein intelligenter Mann, der (die heiligen Schriften) gelernt hat, nimmt seine Aufgaben auf sich[21], und er wird in der Welt bekannt; wie die Erde die Wohnung aller Wesen ist, so wird er eine Wohnung sämtlicher Aufgaben werden. (45)
Wenn die würdigen Lehrer, die gründlich aufgeklärt sind und von frühen Zeiten in Verhalten gut bewandert[22] , (mit einem Schüler) zufrieden sind, werden sie ihm ihr umfangreiches und gewichtiges[23] Wissen von den heiligen Texten vermachen. (46)
Sein Wissen wird ausgezeichnet werden, seine Zweifel werden beseitigt werden, er wird das Herz seines Lehrers
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durch seine guten Taten erfreuen; durch die Ausführung der Askese und Meditation in Sicherheit gehalten, als würde es wie ein großes Licht sein, bewahrt er die fünf Gelübde. (47)
Ausgezeichnet von Göttern, Gandharvas, und Menschen, so wird er beim Verlassen dieses Körpers, der aus Schmutz und Verunreinigungen besteht, entweder ein ewiger Siddha[24], oder ein Gott von großer Macht und kleinen Unvollkommenheiten werden. (48)
So sage ich[25].
Ende der ersten Vorlesung, genannt ÜBER DISZIPLIN
nächste SEITE ZWEITE VORLESUNG genannt ÜBER MÜHSELIGKEITEN
[1] Ânâ-niddêsa-karê. Âgñâ ist der Auftrag selbst; nirdêsa, die Zustimmung dazu
[2] Das Original hat den Plural statt dem Singular. Es braucht große Freiheiten in diesem Zusammenhang, und die Kommentatoren rufen zu Hilfe einen vakanavyatyaya oder liṅgavyatyaya, den Austausch von Anzahl und Geschlecht wie auch der Fall sein magEs ist unmöglich, in der Übersetzung dem Original in dieser Hinsicht zu folgen, und unnütz alle solch grammatikalischen Fehler anzumerken. Die Schlussfolgerung, die wir daraus ziehen können ist, dass in der gesprochenen Sprache viele grammatikalischen Formen, die in der Schriftsprache weiterhin verwendet werden, auf der Stelle waren auszusterben oder waren eigentlich schon obsolet geworden. Ich bin fast sicher, dass die Umgangssprache der Zeit, als die Sûtras verfasst wurden die Unterscheidung zwischen dem Singular und Plural im Verb aufzuhören begann. Es war jedoch, künstlich wiederbelebt in der literarischen Maharashtri von späteren Tagen.
[3] Buddhaputta. Buddha ist hier und in der Folge erläutert durch âkârya, Lehrer. Das Wort ist in der rohen Form, nicht in der abgewandelten Form, da der Nominativ nicht dem Versmass passen würde. Freiheiten dieser Art treffen wir häufig an in unserem Text.
[4] Niôgatthî = niyôgarthin. Es ist immer wieder erklärt und bedeutet in der Regel môkshârthin. Aber hier und im Vers 20 hat niyôga vielleicht seinen gewöhnliche Bedeutung: Anordnung, Auftrag. In diesem Fall müssen wir übersetzen: Er, der auf einen Auftrag wartet.
[5] Kandâliya, wörtlich, er sollte sich nicht wie ein Kândâla benehmen. Die Kommentatoren jedoch, teilen das Wort in kanda, heftig, heiß, und alîka, unwahr, falsch. Diese Erklärung ist zu künstlich um akzeptiert zu werden, obwohl die Bedeutung auf dasselbe herauskommt.
[6] Buddhânam, d.h. die Vorgesetzten
[7] bestechende Ähnlichkeit mit den Qumran Rollen vom Toten Meer [ΑΏ]
[8] Palhatthiyâ = paryastikâ: so daß seine Kleider seine Knie und Schenkel bedecken
[9] Pakshapinda
[10] Niyâgatthî or niôgatthî. Der Kommentator erklärt es, wie im Vers 7, mit "Befreiung begehren."
[11] Der Kommentator erklärt es durch muktâsanah, kâranatah pâdapuñkhanâdigatah.
[12] In Erläuterung von diesem Kommentator (Devendra) den folgenden Vers zitiert: êsha bandhyâsutô yâti khapushpakritasêkharah | mrigatrishnâmbhasi snâtah sasasriṅgadhanurdharah || Da geht der Sohn einer unfruchtbaren Frau, erduldend einen Kranz von Himmel-Blumen, nachdem sie im Wasser einer Fata Morgana gebadet hat, und einen Bogen gemacht von eines Hasen Horn tragend.
[13] Samara, erklärt den Kommentator Friseurgeschäft oder Schmiede, mit dem Zusatz, dass es alle Orte von niedrigen Menschen umfasst.
[14] Buddhâh
[15] Phâsuya, übersetzt prâsuka, und erklärte: frei von lebenden Wesen.
[16] Parakada, vorbereitet für den Haushaltsvorstand oder eine andere Person, aber nicht für den Mönch selbst
[17] Die Übersetzung der Begriffe in diesem Vers ist vielmehr Vermutung, trotz der Erklärungen im Kommentar
[18] Ich übersetze nach der Auslegung des Kommentators, was wahrscheinlich richtig ist; aber der Text setzt alle Regeln der Grammatik zur Missachtung.
[19] Wörtlich, suchen nach dem Stachel
[20] Buddha
[21] Namati, wörtlich, unterwirft sich
[22] Puvvasamthuya = pûrvasamstuta. Neben der in meiner Übersetzung wiedergegebenen Bedeutung, schlägt der Kommentator eine andere vor: bereits berühmt.
[23] Moksha, Atthiya = arthika, ein Ziel oder einen bestimmten Zweck habend, nämlich môksha; es ist daher häufig wiedergegeben: zur Befreiung führend
[24] D.h. eine befreite oder vervollkommnete Seele
[25] Ti bêmi = iti bravîmi. Diese Worte dienen dazu, das Ende jeden Kapitels in allen kanonischen Bücher zu markieren, vgl. das lateinische dixi.