Jaina Sutras, Teil II (SBE45),
übersetzt in Englisch von Hermann Jacobi, [1895 a.D.], bei sacred-texts.com
In Deutsch von ΑΏ [2009 a.D.]
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(Rishabha sagte zu seinen Söhnen):
Erwerbe vollkommene Kenntnisse des Gesetzes! Warum studierst du es nicht? Es ist schwierig, den Unterricht darüber nach diesem Leben zu erhalten. Die Tage (die vorübergegangen sind) werden nie wieder zurückkehren, noch ist es einfach ein zweites Mal menschliche Geburt zu erlangen. (1)
Siehe, junge und alte Menschen, selbst Kinder im Mutterleib sterben. Wie ein Falke eine Wachtel fängt, so wird (Leben) enden, wenn seine Zeit aufgebraucht ist[3]. (2)
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(Ein Mensch) kann den Eltern zuliebe leiden; er wird nicht leicht Glück nach diesem Leben erhalten. Ein frommer Mann sollte diese Ursachen für die Gefährdung betrachten und aufhören zu handeln. (3)
Denn in dieser Welt leiden lebende Wesen individuell für ihre Taten; für die Taten, die sie selbst gemacht haben, erhalten sie (Strafe), und werden nicht darüber hinwegkommen, bevor sie es gefühlt haben. (4)
Selbst Götter, Gandharvas, Râkshasas und Asuras; Tiere, die auf der Erde leben, und Schlangen; Könige, gewöhnliches Volk, Kaufleute und Brâhmanas: sie alle müssen ihre Rangordnung verlassen und leiden. (5)
Ungeachtet ihrer Vergnügungen und Verwandten müssen alle Männer zu gegebener Zeit die Frucht ihrer Werke erleiden; wie eine Kakao-Nuss selbst vom Stiel loslösend (hinunterfällt), so wird (Leben) enden, wenn seine Zeit verbraucht ist. (6)
Selbst ein sehr gelehrter oder tugendhafter Mensch oder ein Brâhmana oder ein Asket, wird streng bestraft werden für seine Tat, wenn er zu Handlungen von Betrug gegeben ist[4]. (7)
Siehe, jene (Ketzer), die für die Erkenntnis der Wahrheit suchen, aber die das Samsâra nicht durchqueren, nur reden über das höchste Gut (ohne es zu erreichen).
Wie wirst du verstehen, was nahe von dir und was darüber hinaus[5] ist? In der Zwischenzeit leidest du für deine Taten. (8)
Er der nackt umhergeht und schlank, er der nur einmal nach einem Monat isst, wenn er mit Betrug gefüllt ist, wird er eine endlose Anzahl von Malen geboren werden. (9)
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Denn das Leben von Menschen wird zu einem Ende kommen[6]. Menschen, die (in der Lust, sozusagen) ertrunken sind, und süchtig nach Vergnügen werden, aus Mangel an Kontrolle, getäuscht werden[7]. (10)
Bemühe dich und kontrolliere dich selbst! Denn es ist nicht leicht, über Wege zu gehen, wo es winzig kleine Tiere gibt. Folge den Geboten, die die Arhats gut verkündet haben[8]. (11)
Helden (des Glaubens), die ablassen (von Sünden) und sich richtig anstrengen, die Zorn, Angst, usw. bezwingen, werden nie lebende Wesen töten; sie lassen von Sünden ab und sind völlig glücklich. (12)
Es ist nicht ich selbst allein, der leidet, alle Geschöpfe in der Welt leiden; dies sollte ein weiser Mann[9] betrachten, und er sollte geduldig (solches Elend) ertragen das ihn befällt, ohne seinen Leidenschaften nachzugeben. (13)
Wie eine Wand mit einem Verputz (getrockneten Kuhmists)[10] bedeckt von einer Erschütterung dünn gemacht wird, so sollte (ein Mönch) seinen Körper durch Fasten, usw. schlank machen. Er sollte
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sich von der Schlachtung von lebenden Wesen enthalten. Dies ist das von dem Weisen verkündete Gesetz. (14)
Wie ein Vogel mit Staub das graue Pulver durch Schütteln selbst entfernt, so eine würdiger und strenger Brâhmana[11], der Buße tut, sein Karman vernichtet. (15)
Junge und alte Leute machen Anspruch auf einen hauslosen Sramana als ihren eigenen, obwohl er gemäss dem Gesetz bettelt, die Verhaltensregeln beachtet und Einschränkungen ausführt. Die Menschen werden sich sogar heiser schreien, aber sie werden ihn nicht fesseln. (16)
Was auch immer sie tun werden, um sein Mitleid zu bewegen, wenn auch noch so sie über ihren Sohn schreien werden, werden sie nicht einen würdigen und tugendhaften Mönch fesseln oder ihn zum häuslichen Leben zurückkehren bewegen. (17)
Obwohl sie ihn locken mit Vergnügungen, und obwohl sie ihn binden sollten und ihn nach Hause tragen, wenn er sich nicht für ein (weltliches) Leben kümmert, werden sie ihn nicht fesseln oder ihn zum häuslichen Leben zurückkehren bringen. (18)
Sein Vater und seine Mutter, seine Kinder und seine Frau, die ihn beanspruchen, werden ihn ermahnen: "Siehe, du bist unser Unterstützer; kümmere dich nicht für die nächste Welt, um uns zu unterstützen." (19)
Manche Menschen sind (närrisch) an andere verbunden, und werden dadurch getäuscht; die Ungerechten machen ihnen Ungerechtigkeit annehmen, und sie jubeln in ihrer Bosheit. (20)
Daher sollte ein würdiger und weiser Mann
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achtsam sein, ablassen von der Sünde und ganz glücklich sein. Die tugendhaften Helden des Glaubens (haben) die große Straße (ausgewählt), den richtigen und sicheren Weg zur Vollkommenheit. (21)
Er der den Weg der Zerstörung (von Karman)[12] eingeschlagen hat, der seinen Geist, Rede und Körper kontrolliert, der seinen Besitz und Beziehungen und alle Verpflichtungen aufgegeben hat, sollte seine Sinne unterwerfend umhergehen. (22)
Ende des ersten Kapitels der zweiten Vorlesung des ersten Buches
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[1] Srutaskandha. Sein Sanskrit-Titel erwähnt durch Sîlâṅka ist Gâthâshô dasaka, d.h. das Buch, dessen Sechzehnte Vorlesung Gâthâ genannt wird. Es ist erwähnt in der Uttarâdhyayana XXXI, 13 durch den Namen der sechzehn Gâthâs, siehe oben, SEITE 182.
[2] Der Name dieser Vorlesung, welcher in ihrer letzten Zeile auftritt, ist vêyâlîya, weil, wie der Autor des Niryukti bemerkt, handelt es über vidârika, Zerstörung (von Karman), und weil es im Vaitâlîya Versmass besteht. Denn beide Wörter, vaidârika (oder vielmehr vaidâlika, vgl. karmavidalana) und vaitâlîya können in Gaina Prâkrit, vêyâlîya oder vêtâlîya werden. Ein Spiel mit Worten war offensichtlich beabsichtigt; es wäre unmöglich gewesen, wenn die beiden Wörter nicht im Klang identisch geworden wären. Wir können also feststellen, dass die Sprache des Autors den gleichen phonetischen Gesetzen gehorchte wie der in unserem MSS. ausgestellte Gaina Prâkrit, oder mit anderen Worten, dass der Text in etwa der gleichen Sprache niedergeschrieben wurde, in dem er ursprünglich abgefasst worden ist. Der Name der Fünfzehnten Vorlesung führt zu dem gleichen Schluss, denn es heißt gamaîya (yamakîya), weil jeder seiner Verse das verbale Ornament Yamaka genannt enthält, und weil es mit den Worten gam aîyam (yad atîtam) beginnt.
[3] Ein MS. fügt hier gîvâna giviyam ein, das Leben von lebenden Wesen.
[4] Abhinûma
[5] Laut Sîlâṅka, diese Welt und die nächste oder häusliches Leben und Mönchtum, oder das Samsâra und Môksha sind gemeint durch den Ausdruck, "was nahe von dir ist und was darüber hinaus". (diese Interpretation des Kommentators resultiert für jeden echten Wahrheitssuchenden genauso, der die Schriften bis hierhin aufmerksam, darüber meditierend und mit seinem Leben vergleichend, gelesen hat. ΑΏ)
[6] Paliyantam. Eine weitere Erklärung dieses Wortes, von den Kommentatoren bevorzugt, ist palyôpamasya antar: innerhalb, d.i. etwas kürzer als ein Palyôpamâ.
[7] Oder Karman erwerben, welches in Täuschung resultieren wird.
[8] Laut den Kommentatoren: üben (Kontrolle) nach den sâsana (d.h. Sûtras); dies ist von der Arhats gut erklärt worden.
[9] Sahie. Dieses Wort wird manchmal durch svahita erklärt, bedacht auf sein geistiges Wohlbefinden, manchmal durch hitena gñânâdinâ sahitah, besessesn von Wissen, usw. Ich übersetze es "weise", und leite das Wort aus dem Sanskrit sahridaya ab, das richtige Prâkrit dafür wäre sahiyae.
[10] Kuh-Mist wird in der Form von flachen, runden Kuchen gegen eine Wand geklebt, um dort zu trocken. Wenn die Fladen getrocknet sind ist ein wenig Schütteln ausreichend, um sie herabkommen zu machen, wobei die Wand zu ihrer ursprünglichen Form und Abmessungen wiederhergestellt sein wird.
[11] Mâhana = brâhmana. Der Kommentator leitet das Wort von mâ und Wurzel han ab! Das Wort ist ein Synonym für muni, mit dem es häufig im gleichen Vers auftritt und dann in der Übersetzung ausgelassen worden ist.
[12] Vêyâliya-maggam.