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UTTARÂDHYAYANA.

Neunundzwanzigste Vorlesung,

genannt

DIE ANSTRENGUNG IN RECHTSCHAFFENHEIT.

O langlebiger (Gambûsvâmin)! Ich (Sudharman) habe die folgende Rede vom ehrwürdigen (Mahâvîra) gehört.

Hier, fürwahr, der Ehrwürdige Asket Mahâvîra, von der Kasyapa Gôtra hat diese Vorlesung, genannt die Anstrengung in Gerechtigkeit, geliefert. Viele Geschöpfe, die wirklich glauben an das (in dieser Vorlesung gelehrte) Thema, setzen ihr Vertrauen in es, schenken ihren Glauben an es, akzeptieren es, üben es aus, halten es ein, studieren es, verstehen es, lernen es und handeln nach ihm entsprechend zu den Geboten (der Ginas)[1] - haben Vollkommenheit, Erleuchtung, Befreiung, endgültige Glückseligkeit erlangt und haben ein Ende zu allem Elend gemacht.

Diese Vorlesung behandelt die folgenden Themen:

1. samvêga, Sehnsucht nach Befreiung;

2. nirvêda, Missachtung der weltlichen Dinge;

3. dharmasraddhâ, Verlangen nach dem Gesetzes;

4. gurusâdharmikasusrûshanâ, Gehorsam gegenüber Glaubensbrüdern und dem Guru.

5. âlôkanâ, Bekenntnis der Sünden vor dem Guru[2];

6. nindâ, Bereuen der eigenen Sünden zu sich selber;

7. garhâ, Bereuen der eigenen Sünden vor dem Guru;

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8. sâmâyika, moralische und geistige Reinheit der Seele;

9. katurvimsatistava, Anbetung der vierundzwanzig Ginas;

10. Ehrfurcht zollen vor dem Guru;

11. pratikramana, Sühne der Sünden;

12. kâyôtsarga, eine bestimmte Stellung des Körpers;

13. pratyâkhyâna, Selbstverleugnung;

14. stavastutimagala, Lobpreisungen und Hymnen;

15. kâlasya pratyupêkshanâ, Aufrechterhaltung der rechten Zeit;

16. prâyaskittakarana, Buße ausübend;

17. kshamâpana, Bitten um Vergebung;

18. svâdhyâya, studieren;

19. kanâ, Schilderung der heiligen Texte;

20. pariprikkhanâ, Befragung (der Lehrer);

21. parâvartanâ, Wiederholung;

22. anuprêkshâ, Nachdenken;

23. dharmakathâ, religiöser Diskurs;

24. srutasyârâdhanâ, Erwerb von heiligem Wissen;

25. êkâgramanahsannivêsanâ, Konzentration der Gedanken;

26. samyama, Kontrolle;

27. tapas, Einschränkungen;

28. vyavadâna, Abschneiden des Karman;

29. sukhâsâta, Verzicht auf Vergnügen;

30. apratibaddhatâ, geistige Unabhängigkeit;

31. vikitrasayanâsanasêvanâ, Verwendung einsamer Unterkünfte und Betten;

32. vinivartanâ, Abwenden von der Welt;

33. sambhôgapratyâkhyâna, Verzicht auf Erhebung von Almosen in nur einem Bezirk;

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34. upadhipratyâkhyâna, Verzicht auf Gebrauchsgegenstände;

35. âhârapratyâkhyâna, Verzicht auf Nahrung;

36. kashâyapratyâkhyâna, Bezwingen der Leidenschaften;

37. yôgapratyâkhyâna, Verzicht auf Aktivität;

38. sarîrapratyâkhyâna, Verzicht auf den Körper;

39. sahâyapratyâkhyâna, Verzicht auf Begleitung;

40. bhaktapratyâkhyâna, Verzicht auf alle Speisen;

41. sadbhâvapratyâkhyâna, vollkommener Verzicht;

42. pratirûpatâ, Übereinstimmung mit der Norm;

43. vaiyâvritya, Dienst tun;

44. sarvagunasampûrnatâ, Erfüllung aller Tugenden;

45. vîtarâgatâ, Freiheit von Leidenschaft;

46. kshânti, Geduld;

47. mukti, Freiheit von Habgier;

48, ârgava, Einfachheit;

49. mârdava, Demut;

50. bhâvasatya, Aufrichtigkeit des Geistes;

51. karanasatya, Aufrichtigkeit der religiösen Praxis;

52. yôgasatya, Aufrichtigkeit der Handlung;

53. manôguptatâ, Wachsamkeit des Geistes;

54. vâg-guptatâ, Wachsamkeit der Rede;

55. kâyaguptatâ, Wachsamkeit des Körpers;

56. manahsamâdhâranâ, Disziplin des Geistes;

57. vâksamâdhâranâ, Disziplin der Rede;

58. kâyasamâdhâranâ, Disziplin des Körpers;

59. ânasampannatâ, Besitz von Wissen;

60. darsanasampannatâ, Besitz des Glaubens;

61. kâritrasampannatâ, Besitz des Verhaltens;

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62. srôtrêndriyanigraha, das Ohr unterwerfend;

63. kakshurindriyanigraha, das Auge unterwerfend;

64. ghrânêndriyanigraha, Unterwerfung des Geruchsorgans;

65. gihvêndriyanigraha, Unterwerfung der Zunge;

66. sparsanêndriyanigraha, Unterwerfung des Berührungsorgans;

67. krôdhavigaya, Zorn bezwingend;

68. mânavigaya, Stolz bezwingend;

69. mâyâvigaya, Täuschung bezwingend;

70. lôbhavigaya, Gier bezwingend;

71. prêmadvêshamithyâdarsanavigaya, Liebe, Hass und falsche Weltanschauung bezwingend;

72. sailêsî, Stabilität;

73. akarmatâ, Freiheit von Karman.

1. Herr, was erhält die Seele von der Sehnsucht nach Befreiung? Durch die Sehnsucht nach Befreiung erhält die Seele einen intensiven Wunsch nach dem Gesetz, durch einen intensiven Wunsch nach dem Gesetz kommt er schnell zu einer (erhöhten) Sehnsucht nach Befreiung; er zerstört Wut, Stolz, Verrat und Gier, welche sich unendlich reproduzieren; er erwirbt kein (schlechtes) Karman, und befreit sich von falschen Glauben, der die Folge des Letzteren ist, er wird besessen von rechtem Glauben; durch die Reinheit des Glaubens werden einige nach einer Geburt Vollkommenheit erreichen; niemand allerdings, der diese Reinheit hat, wird mehr als dreimal geboren, bevor er Vollkommenheit erreicht. (1)

2. Herr, was erlangt die Seele durch Missachtung von weltlichen Dingen[3]? Bei Missachtung von weltlichen Objekten, fühlt die Seele schnell Ekel für von Göttern, Menschen, und Tieren genossenen Vergnügungen; er wird gleichmütig zu

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allen Objekten, dabei hört er auf sich in irgendeinem Unternehmen zu beschäftigen, in Folge dessen er die Straße von Samsâra verlässt und die Strasse zur Vollkommenheit betritt. (2)

3. Herr[4], was erlangt die Seele durch das Verlangen nach dem Gesetzes? Durch das Verlangen nach dem Gesetzes wird die Seele gleichmütig zu Vergnügen und Glück, welchem er angehaftet war; er verlässt das Leben der Haushaltvorstände, und als ein hausloser Mönch setzt er ein Ende aller Schmerzen von Körper und Geist, welche bestehen in (dem Leiden von) Schneiden, Durchlöchern, Vereinigung (mit unangenehmen Dingen), usw.; und er erhält ungehindertes Glück. (3)

4. Mit dem Gehorsam zu Glaubensbrüdern und zum Guru erhält die Seele Disziplin (Vinaya). Durch Disziplin und Vermeidung von Fehlverhalten (gegenüber dem Lehrer[5]) vermeidet er es, als ein Bewohner der Hölle, ein Tier, ein (geringer) Mensch oder ein (schlechter) Gott wiedergeboren zu werden; durch eifriges Lob auf, Hingabe an, und Achtung für (den Guru) erhält er Geburt als ein (guter ) Mensch oder Gott, gewinnt Vollkommenheit und Glückseligkeit, macht alle lobenswerten Maßnahmen, verschrieben durch Disziplin, und gewinnt die Oberhand über andere, um Disziplin anzunehmen. (4)

5. Mit dem Bekenntnis der Sünden (vor dem Guru) befreit sich die Seele von den Dornen, sozusagen, der Täuschung, falsch angewendeter Strenge[6], und falscher Glaubensanschauung, welche den Weg zur endgültigen Befreiung behindern und zu einer endlosen Wanderung der Seele führen, er erhält Einfachheit, wobei die Seele, die frei von Täuschung ist, nicht dieses Karman erwirbt, welches in seinem fleischlichen Verlangen nach einer Frau oder Eunuchen[7] 4 resultiert, und solches Karman, wie er zuvor erworben hat, vernichtet. (5)

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6. Durch Bereuen seiner Sünden zu sich selbst, erhält die Seele Reue und und gleichmütig werdend durch Reue bereitet er für sich eine (aufsteigende) Skala von Tugenden[8], durch die er zerstört den Karman, der aus Täuschung resultiert, zerstört. (6)

7. Durch Bereuen seiner Sünden vor dem Guru erhält die Seele Demütigung; gedemütigt fühlend, wird er alle schuldhaften Beschäftigungen[9] aufgeben, und sich lobenswerten Beschäftigungen zuwenden, wobei ein hausloser Mönch unendliche behindernde[10] Entwicklungen stoppen wird. (7)

8. Durch moralische und geistige Reinheit (wörtlich, Gleichgewicht) hört die Seele mit sündhaften Beschäftigungen auf. (8)

9. Durch die Anbetung der vierundzwanzig Ginas kommt die Seele zu Glaubensreinheit. (9)

10. Durch Ehrfurcht (zum Guru) zollen zerstört die Seele solches Karman was zu einer Geburt in niedrigen Familien führt und übernimmt solches Karman was zu einer Geburt in Adelsfamilien führt; er gewinnt die Zuneigung der Menschen, welche in seinem als Autorität angeschaut werden resultiert, und er bringt allgemeinen guten Willen zustande. (10)

11. Durch die Sühne von Sünden, vermeidet er Übertretungen der Gelübde; dabei stoppt er die Âsravas, bewahrt ein reines Verhalten, praktiziert die acht Artikel[11], vernachlässigt nicht (die Ausübung von Kontrolle), und zollt dazu große Aufmerksamkeit. (11)

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12. Von Kâyôtsarga macht er sich von vergangenen und gegenwärtigen (Vergehen) frei, (die) Prâyaskitta[12] (erfordern); dabei wird sein Geist beschwichtigt wie ein Träger, der von seiner Last erleichtert wird; und sich beschäftigend in lobenswerter Betrachtung genießt er Glück. (12)

13. Durch Selbstverleugnung schließt er, sozusagen, die Türen der Âsravas; durch Selbstverleugnung verhindert er aufsteigende Begehren in ihm; durch die Verhütung von Begehren wird er, sozusagen, gleichmütig und gelassen auf alle Objekte. (13)

14. Durch Lobpreisungen und Hymnen, erhält er die Weisheit, bestehend in Wissen, Glauben und Verhalten, so gewinnt er eine solche Verbesserung, dass er ein Ende zu seiner irdischen Existenz setzen wird[13], (oder), danach in einem der Kalpas und Vimânas geboren wird[14]. (14)

15. Durch Bewahren der richtigen Zeit zerstört er das Karman, welches richtiges Wissen behindert. (15)

16. Durch Prâyaskitta ausüben, befreit er sich von Sünden, und begeht keine Sünden; er der Prâyaskitta richtig praktiziert, gewinnt den Weg und den Lohn des Weges[15], gewinnt er den Lohn von gutem Verhalten. (16)

17. Durch bitten um Vergebung erhält er Glück des Geistes; dabei erwirbt er eine Art Gesinnung zu allen Arten von lebenden Wesen[16]; von dieser

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Art Gesinnung erhält er Reinheit des Charakters und Freiheit von Angst. (17)

18. Durch Studium zerstört er das Karman, welches richtiges Wissen behindert. (18)

19. Durch die Schilderung der heiligen Texte, erhält er Zerstörung von Karman, und trägt zum bewahren der heiligen Kunde bei, wobei er das Gesetz der Tîrtha[17] erwirbt, das wiederum führt ihn zu der vollständigen Zerstörung von Karman, und zur endgültigen Vernichtung der irdischen Existenz. (19)

20. Durch die Befragung (des Lehrers) kommt er zu einem richtigen Verständnis der Sûtra und seiner Bedeutung, und er macht Schluss mit dem Karman, das Zweifel und Täuschung erzeugt. (20)

21. Durch Wiederholung reproduziert er die Klänge (z.B. Silben) und übergibt sie dem Gedächtnis. (21)

22. Durch Nachdenken (über was er gelernt hat) lockert er den festen Halt, welchen die sieben Arten von Karman, mit Ausnahme der Âyushka[18] (auf die Seele haben); er verkürzt ihre Dauer, wenn sie eine lange zu sein war; er mildert ihre Macht, wenn sie intensiv war; (er senkt ihren Wirkungskreis wenn sie eine breite war)[19]; er kann entweder Âyushka-karman oder nicht erwerben, aber er sammelt nicht mehr Karman an, welches

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unangenehme Gefühle erzeugt, und er durchquert schnell den sehr großen Wald des vierfachen Samsâra, der ohne Anfang und Ende ist. (22)

23. Durch religiöse Diskurse erhält er Vernichtung des Karmans; durch religiöse Diskurse erhebt er das Glaubensbekenntnis und durch Verherrlichung des Glaubensbekenntnisses, erwirbt er Karman, welches für die Zukunft dauerhafte Glückseligkeit sichert. (23)

24. Durch Erwerb von heiligem Wissen zerstört er Unwissenheit, und wird nicht von Weltlichkeit beschädigt werden. (24)

25. Durch Konzentration seiner Gedanken, erhält er Stabilität des Geistes. (25)

26. Durch Kontrolle erhält er Freiheit von Sünden. (26)

27. Durch Entsagungen schneidet er das Karman ab[20]. (27)

28. Durch das Abschneiden des Karman er erhält (die vierte Stufe der reinen Meditation gekennzeichnet durch) Freiheit von Handlungen, indem er keine Aktionen tätigt wird er Vollkommenheit erhalten, Erleuchtung, Befreiung, und endgültige Glückseligkeit, und wird ein Ende zu allem Elend setzen. (28)

29. Durch den Verzicht auf Vergnügen erhält er die Freiheit vor falscher Sehnsucht, wobei er mitfühlend, bescheiden, frei von Leid wird und das von Täuschung bezüglich Verhalten erzeugte Karman vernichtet. (29)

30. Durch geistige Unabhängigkeit macht er sich von Anhaftung frei, wobei er seine Gedanken (über das Gesetz) konzentrieren wird, und für immer ohne Bindung und Zärtlichkeit (für weltliche Dinge) wird. (30)

31. Durch die Verwendung von einsame Unterkünfte und Betten erhält er die Gupti von Verhalten, wobei er erlaubte

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Nahrung verwenden wird, stabil in seinem Verhalten wird, nur noch erfreut mit (Kontrolle) wird, eine Sehnsucht nach Erlösung erhält, und die Bindung des achtfache Karman abschneidet. (31)

32. Durch Abwenden von der Welt, wird er danach streben keine schlechten Handlungen zu tun, und wird sein bereits erworbenes Karman durch seine Vernichtung beseitigen; dann wird er den Wald des vierfachen Samsâra durchqueren. (32)

33. Durch den Verzicht auf Sammeln von Almosen in nur einem Bezirk[21] überwindet er Hindernisse[22]; unkontrolliert von ihnen bemüht er sich, Befreiung zu erlangen; er ist zufrieden mit den Almosen, die er bekommt, und hofft nicht für, sorgt für, wünscht, verlangt, oder begehrt die eines Gefährten-Mönch; nicht beneidend andere Mönche, nimmt er eine separate, angenehme Unterkunft[23] in Anspruch. (33)

34. Durch den Verzicht auf Gebrauchsgegenstände [24] erreicht er erfolgreiches Studium; ohne Gebrauchsgegenstände wird er frei von Wünschen, und leidet nicht Elend. (34)

35. Durch Verzicht auf (verbotenes) Essen, hört er auf für den Unterhalt seines Lebens zu handeln; aufhörend für den Unterhalt seines Lebens zu handeln, leidet er nicht Elend, wenn ohne Nahrung. (35)

36. Durch Bezwingung seiner Leidenschaften wird er von Leidenschaften frei; dabei er wird gleichmütig zu Glück und Schmerzen. (36)

37. Durch Verzicht auf Tätigkeit, erreicht er Untätigkeit, durch aufhören zu wirken, erwirbt er kein neues Karman, und zerstört das Karman, das er zuvor erworben hatte. (37)

38. Durch Verzicht auf seinen Körper erwirbt er die hervorragenden Tugenden der Siddhas, durch den Besitz

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von denen geht er zu der höchsten Region des Universums, und wird absolut glücklich. (38)

39. Durch den Verzicht auf Gesellschaft erhält er Einzigartigkeit; Single-Dasein und die Konzentration seines Geistes, vermeidet er Streitigkeiten, Auseinandersetzungen, Leidenschaften und Tadelsucht, und er erwirbt ein hohes Maß an Kontrolle, von Samvara, und von Achtsamkeit[25]. (39)

40. Durch den Verzicht auf alle Nahrung, verhindert er, sein wieder geboren werden viele Hunderte von Malen. (40)

41. Durch vollkommenen Verzicht[26] betritt er die letzte (vierte Stufe der reinen Meditation), von wo aus es keine Rückkehr gibt; ein Mönch, der in diesem Zustand ist, vernichtet die vier Karman-Überbleibsel, die selbst noch ein Kêvalin besitzt, nämlich vêdanîya, âyushka, nâman, und gôtra[27]; und dann wird er ein Ende zu allem Elend setzen. (41)

42. Durch Anpassung an die Mindestanforderung der Mönche[28] erhält er Erleichterung, wobei er achtsam werden wird, trägt offen die hervorragenden Kennzeichen des Ordens, ist von vollkommener Rechtschaffenheit, besitzt Festigkeit und die Samitis, inspiriert alle Wesen mit Zuversicht, Geist, kümmert sich um nur wenige Dinge[29], unterwirft seine Sinne, und üben, in einem hohen Maße die Samitis und Entsagungen. (42)

43. Durch Dienst leisten erwirbt er das Karman

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welches für ihn die nâman and gôtra eines Tîrthakara zuwege bringt. (43)

44. Durch die Erfüllung aller Tugenden, sichert er ab, dass er nicht von neuem geboren wird; dabei wird er von Schmerzen des Körper und Geists befreit. (44)

45. Durch Befreiung von Leidenschaft, durchschneidet er die Bande der Zuneigung und Begierde; auf diese Weise wird er gleichmütig gegen alle angenehmen und unangenehmen Geräusche, Berührungen, Farben und Gerüche. (45)

46. Durch Geduld überwindet er Mühseligkeiten. (46)

47. Durch Freiheit von Gier erreicht er freiwillige Armut, wobei er unzugänglich für Begehren nach Eigentum werden wird. (47)

48. Durch Einfachheit wird er aufrecht in Handlungen, Gedanken und Sprache werden, und er wird wahrheitsliebend werden; dabei wird er aufrichtig das Gesetz ausüben. (48)

49. Durch Demut wird er Freiheit von Selbstüberheblichkeit erwerben; dabei wird er von einer netten und sanften Gesinnung werden, und die acht Arten von Stolz vermeiden. (49)

50. Durch die Aufrichtigkeit des Geistes erlangt er Reinheit des Geistes, welche ihn veranlassen wird, um die Erfüllung des Gesetzes, das die Ginas verkündet haben, selbst auszuüben; und er wird das Gesetz auch in der nächsten Welt ausüben. (50)

51. Durch Aufrichtigkeit in der religiösen Ausübung erhält er Tüchtigkeit darin; darin tüchtig geworden, wird er nach seinen Worten handeln. (51)

52. Durch Aufrichtigkeit im Handeln, wird er in seinen Handlungen rein werden. (52)

53. Durch Wachsamkeit[30] des Geistes konzentriert er seine Gedanken; damit er wirklich Kontrolle ausübt. (53)

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54. Durch Wachsamkeit der Rede, hält er sich frei von Ausflucht; dabei ermöglicht er seinen Geist, richtig zu handeln. (54)

55. Durch Wachsamkeit des Körpers erlangt er Samvara[31]; dadurch verhindert er sündvolle Âsravas. (55)

56. Durch Disziplin des Geistes erlangt er Konzentration seiner Gedanken; dabei erhält er Entwicklung des Wissens, welche Gerechtigkeit erzeugt und falschen Glauben vernichtet. (56)

57. Durch Disziplin der Rede, erwirkt er Entwicklung des Glaubens, wobei er Möglichkeit erleuchtet zu werden erwirbt, und zerstört die verhindernde Gründe. (57)

58. Durch Disziplin des Körpers erlangt er Entwicklung des Verhaltens, welche ihn veranlasst sich nach dem Regelwerk zu verhalten; damit zerstört er die vier Karman-Überbleibsel, die auch ein Kêvalin besitzt[32]; nach diesem erreicht er Vollkommenheit, Erleuchtung, Befreiung und endgültige Glückseligkeit, und er setzt allem Elend ein Ende. (58)

59. Durch Besitz von Wissen erwirbt er ein Verständnis von Wörtern und deren Bedeutung; dadurch geht er nicht im Wald des vierfachen Samsâra unter; wie eine Nadel mit ihrem Faden nicht verloren sein wird, so die Seele im Besitz der heiligen Kunde[33] nicht im Samsâra verloren sein wird; führt er alle vorgeschriebenen Maßnahmen im Zusammenhang mit Wissen, Disziplin, Entsagungen und Verhalten aus, und versiert in seinem

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eigenen und in andersgläubigen Glaubensbekenntnisse wird er unbesiegbar. (59)

60. Durch Besitz von Glauben vernichtet er falschen Glauben, welcher die Ursache der irdischen Existenz ist, und er wird nicht sein inneres Licht verlieren; aber er kleidet sein Selbst mit dem höchsten Wissen und Glauben, und reinigt es[34]. (60)

61. Durch Besitz des Verhaltens erhält er eine Stabilität wie die des Königs der Berge[35] (nämlich Mêru), wobei ein hausloser Mönch die vier Karman-Überbleibsel vernichtet, die selbst ein Kêvalin besitzt; nach dem erhält er Vollkommenheit, Erleuchtung, Befreiung, und endgültige Glückseligkeit, und setzt allem Elend ein Ende. (61)

62. Durch Unterwerfung des Hörorgans überwindet er seine Freude mit oder Abneigung gegen alle angenehmen oder unangenehmen Klänge, er erwirbt keinen dadurch erzeugten Karman, und zerstört das Karman, das er zuvor erworben hatte. (62)

63-66. (All dies gilt auch für seine) Unterwerfung der Organe der Sich, des Geruchs, des Geschmacks und der Berührung (in Bezug auf) angenehme Farben, Gerüche, Geschmäcker und Berührungen. (63-66)

67. Durch Zorn bezwingend erhält er Geduld; er erwirbt kein von Wut[36] erzeugtes Karman, und zerstört das Karman, das er zuvor erworben hatte. (67)

68. Durch Stolz bezwingend erhält er Einfachheit, usw. (wie in 67, Stolz durch Wut ersetzend). (68)

69. Durch Täuschung bezwingend erhält er Demut, usw. (wie in 67, Täuschung durch Wut ersetzend). (69)

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70. Durch Gier bezwingend erhält er Zufriedenheit, usw. (wie in 67, Gier durch Wut ersetzend). (70)

71. Durch Liebe, Hass und falsche Weltanschauung bezwingend, bemüht er sich für richtiges Wissen, Glauben und Verhalten, dann wird er die Fesseln des achtfachen Karman abschneiden; er wird erst die achtundzwanzig Arten[37] von Karman zerstören, die Erzeuger von Täuschung sind; (dann) die fünf Arten von Behinderung zu richtigem Wissen[38], die neun Arten von Behinderung rechten Glaubens[39], und die fünf Arten von Hindernissen (genannt Antarâya[40]): die letzten drei Überbleibsel von Karman zerstört er gleichzeitig; danach erhält er absolutes Wissen und absoluten Glauben, welcher unumschränkt ist, voll, vollständig, ungehindert, klar, fehlerfrei, und Licht gebend (oder) das ganze Universum ( durchdringend); und während er immer noch handelt[41], erwirbt er aber ein solches Karman das unzertrennlich aus religiösen Handlungen ist[42]; die angenehme Gefühle (durch es erzeugt) dauern nur zwei Momente: Im ersten Moment ist es erworben, im zweiten ist es erlebt, und im dritten ist es zerstört; dieses Karman wird erzeugt, kommt in Kontakt (mit der Seele), nimmt Aufstieg, wird erfahren und wird zerstört; für alle Zeiten die kommen ist er von Karman befreit. (71)

72. Dann[43] wenn sein Leben verbracht ist bis zu weniger als

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eine halbe Muhûrta, unterbricht er zu handeln, und beginnt die (dritte Stufe der) reinen Meditation[44], aus der es keinen Rückfall (in niedrigere Grade) gibt, und welches ausschliesslich feinste Funktionen (seiner Organe) erfordert; er stoppt zuerst die Funktionen seines Geistes, dann die Funktionen der Sprache, dann jene des Körpers, zuletzt hört er auf zu atmen. Während der Zeit, die für die Aussprache fünf kurzer Silben erforderlich ist, ist er in der letzten reinen Meditation beschäftigt, in der alle Funktionen (seiner Organe) eingestellt haben und gleichzeitig vernichtet er die vier Überbleibsel des Karman, nämlich vêdanîya, âyushka, nâman, und gôtra[45]. (72)

73. Dann habend, mit allen Mitteln, losgeworden ihre audârika, kârmana (und taigasa) Körper, nimmt die Seele die Form einer geraden Linie, geht in einem Augenblick, ohne etwas zu berühren, und keinen Raum einzunehmen, (nach oben zum höchsten Akâsa), und dort entwickelt sie sich in ihrer natürlichen Form, erhält Vollkommenheit, Erleuchtung, Befreiung und endgültige Glückseligkeit, und setzt allem Elend ein Ende. (73)

Dies ist in der Tat das Thema der Vorlesung genannt Anstrengung in der Gerechtigkeit, welche der Ehrwürdige Asket Mahâvîra erzählt hat, erklärt, erläutert, aufgezeigt. (74)

So sage ich.

Ende der Neunundwanzigsten Vorlesung, genannt DIE ANSTRENGUNG IN RECHTSCHAFFENHEIT.

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[1] Hier haben wir nicht weniger als zehn Verben, von denen viele Synonyme sind, mit wahrscheinlich keinem gut definierten Unterschied in ihrer Bedeutung. Diese Häufung von synonymen Worten ist eine Besonderheit des archaischen Stils. Die Kommentatoren arbeiten immer schwer jedem Wort eine entsprechende Bedeutung zuzuweisen, aber durch manchmal unterschiedliche Erklärungen anzubieten, zeigen sie, dass ihr Einfallsreichtum der Auslegung nicht durch Überlieferung gesichert war.

[2] Ähnliche Formen übernahmen verschiedene religiöse Sekten, wie z.B. das Beichten mit Beichtgeheimnis der römisch katholischen Kirche, die das Bekennen der Sünden vor dem Priester sogar für die Laien zur wöchentlichen Pflicht gemacht haben, russisch orthodoxe Kirche, usw. ΑΏ

[3] oder Abneigung zu dem Kreis der Geburten

[4] Auf diese Weise öffnen alle Absätze bis zu § 72 mit einer offenen Frage von immer der gleichen Form. Ich lasse die Frage in der Folge fallen.

[5] Atyâsâtana

[6] Nidâna, vergleiche SEITE 60, n. 2

[7] Das ist der Sinn der Worte itthîvêya napumsagavêyam SEITE 163 = strîvêda, napumsakavêda, wie erklärt von den Kommentatoren auf XXXII, 102.

[8] Karanagunasrêdhîm pratipadyatê. Es ist schwer, diesen Satz adäquat wiederzugeben; der Sinn ist, dass durch sukzessives zerstören moralischer Verunreinigungen man zu immer höher und höheren Tugenden kommt.

[9] Yôga, d.h. die Ursache für die Erzeugung von Karman.

[10] Ghâti, vergleiche Bhandarkar, Report, SEITE 93, Anm. *.

[11] Siehe Vierundzwanzigste Vorlesung, SEITE 129 ff.

[12] Sühnende Riten, âlôkanâ, usw.

[13] Antakriyâ, erklärt durch mukti.

[14] Die Kalpas und die Vimânas sind der Himmel der Vaimânika Götter, siehe, SEITE 226

[15] Durch Weg ist die Möglichkeit zum Erwerb richtigen Wissens gemeint, und durch den Lohn des Wegs, richtiges Wissen. Die Belohnung für gutes Verhalten ist mukti.

[16] Savvapânabhûyagîvasattâ. Die prânas besitzen von zwei bis vier Sinnesorganen, die gîvas fünf, die bhûtas sind Pflanzen,  und die sattwas sind alle übrigen Lebewesen.

[17] Nach den Kommentaren sind durch Tîrtha die Ganadharas gemeint.

[18] Betreffend die acht Arten von Karman, siehe XXXIII, 2 und 3, SEITE 192. Âyushka ist dieses Karman, welches die Länge der Zeit bestimmt, welche man zu leben (hat). Eine etwas andere Erklärung für dieses Karman wird gegeben von Bhandarkar, loc. cit., SEITE 97, Anmerkung.

[19] Die betreffende Stelle ist eine Ergänzung in einigen MSS., wie die Kommentatoren uns sagen. Die Bedeutung scheint zu sein, dass das Karman, welches der Seele in vielen Teilen verbunden war, wird, durch den eingeführten Einfluss der Reinheit der Seele durch Nachdenken, auf weniger Platz beschränkt.

[20] Vyavadâna ist das Abschneiden des Karman und die anschließende Reinheit der Seele.

[21] Sambhôga = êkamandalyâm âhârakaranam

[22] Âlambanâ, glânatâdi

[23] Dukkam suhase.ggam uvasampaggittânam viharai

[24] Außer denen die obligatorisch sind, wie z.B. sein Besen, der mukhavastrikâ usw.

[25] Samâhiê = samâhita oder samâdhimân

[26] Sadbhâva pratyâkhyâna. Die Dîpikâ gibt folgende Erklärung: Er macht den Verzicht in solch einer Weise, dass er es nicht ein zweites Mal zu machen braucht.

[27] Vêdanîya ist dieses Karman, das Effekte, die erlebt werden müssen erzeugt, wie Vergnügen oder Schmerz; âyushka ist das Karman, das die Länge des Lebens bestimmt; nâman und gôtra veranlassen ihn, als solche oder eine andere Person in dieser oder jener Familie geboren zu werden; siehe Dreiunddreißigste Vorlesung, Verse 2 und 3, SEITE 192 f.

[28] Erklärt: sthavirakalpasâdhuvêshadhâritvam

[29] Appadilêha = alpapratyupêksha; er hat wenige Dinge zu überprüfen, weil er nur wenige verwendet.

[30] Gupti

[31] Für Samvara und Âsrava, siehe oben, SEITE 55, Anm. 1 und SEITE 73, Anm. 2

[32] Siehe oben, § 41

[33] hier ist ein Wortspiel mit dem Wort Sutta = Sûtra, das Faden und Sûtra, heilige Kunde oder durch das Studium der Sûtras erworbenes Wissen bedeutet.

[34] D.h. macht es nichts Fremdes enthalten zu seiner eigenen Wesensart.

[35] Sêlêsî = sailêsî; sailêsa ist Mêru, und sein avasthâ, oder Zustand, ist sailêsî.

[36] Oder, vielleicht, was resultiert in Zorn empfindend

[37] Es sind sechzehn kashâyas, neun nô-kashâyas und drei môhanîyas. Vgl. Eine wissenschaftliche Abhandlung über Jainismus von – Shri Jayatilal S. Sanghvi

[38] Dies sind die Hindernisse zu den fünf Arten von Wissen: mati, sruta, avadhi, manahparyâya, kêvala

[39] Sie sind: die Hindernisse für kakshurdarsana, zu akakshurdarsana, zu avadhidarsana, und zu kêvaladarsana, und fünf Arten des Schlafes (nidrâ). Betreffend Antarâya, siehe SEITE 193.

[40] Betreffend Antarâya, siehe SEITE 193.

[41] Sayôgin, d.h. während er noch nicht das vierzehnte gunasthâna, den Zustand eines Kêvalin erreicht hat

[42] Airyapathika

[43] d.h. wenn er ein Kêvalin geworden ist, wie im vorhergehenden Absatz beschrieben

[44] Sukladhyâna

[45] siehe Hinweis von § 41